Im Rahmen des
22. Stummfilmfestivals Karlsruhe.
Chaplins
»Burlesque on Carmen« &
»Max und die drei Musketiere«»Burlesque on Carmen«R: Charles Chaplin
USA 1915, 32 min.
Wir kennen alle den hochromantischen Stoff: ein junger Offizier erliegt den Verführungskünsten von Carmen, einer Femme fatale. Für diese amour fou riskiert er alles: Beruf, Karriere Leben. … Kann man diesen Stoff wirklich parodieren? Der junge Soldat bezahlt seine Naivität schließlich mit seinem Leben.
Vielleicht beabsichtigte Chaplin vor allem eine Parodie der Carmen-Verfilmung von Cecil B. DeMille zu drehen; eine sozusagen „klassische“ Verfilmung mit dem damaligen Superstar Geraldine Farrar in der Hauptrolle in einem folklorischen Ambiente, ein Verfilmung mit allen Züge des Carmen-Klischees, wie wir es heute allzu gut kennen.
Exkurs: Vielleicht stellen sich manche die Frage, ob es auch Parodien auf Filme von Charles Chaplin gibt? Chaplin, den meiner Ansicht nach großartigsten Komödianten und Regisseur des Slapstick-Filmes, zu parodieren, stellt ein Wagnis dar. Wie will man sich über ihn lustig machen? Gibt es künstlerische Schwächen, auf die man abheben könnte?
Tatsächlich ist in Frankreich eine Serie entstanden, in der Charles Chaplin, und nicht nur er, parodiert wird. Es handelt sich um die 1916 entstandende Serie „Le Pied que étreint“ von Jacques Feyder. Auch in diesem Fall deutet schon der Titel an, dass es sich um ein „Gegenbild“ zu einem vorausliegenden „Bild“ handelt, denn der Titel bedeutet wörtlich „Der Schuh der drückt“, also das Gegenteil des Üblichen. Leider mussten wir unter den aktuellen Umständen bzw. finanziellen Beschränkungen des Festivals auf eine Vorführung verzichten.
Der folgende Text, zu finden auf der Website der Cinémathèque francaise, gibt weitere Informationen:
„Im April und Mai 1916 gedreht, fand die Uraufführung des Films am 18. Mai 1916 statt. Es handelt sich um ein Pastiche* des in der Zeitung Le Matin veröffentlichten Fortsetzungsromans „La Main qui étreint“ (Die Hand, die drückt). Die Inszenierung ist deutlich weniger gewagt und viel konventioneller als die von „Têtes de femme, femmes de tête“ (Frauenköpfe, spitze Frauen), aber Feyder schafft es dennoch, durch die Abenteuer zweier leicht grotesker rivalisierender Banden und eine Reihe unglaublicher Situationen einige burleske Erfindungen zu machen (zum Beispiel die Verwendung von Sprechblasen, die außerhalb des Bildschirms gesprochene Wörter darstellen). Der Film soll auch eine Parodie auf „The Mysteries of New York“ von Louis Gasnier (1914) und eine freundliche Karikatur der Berühmtheiten Musidora, Max Linder und sogar Chaplins sein (dargestellt von Biscot), der bereits Autor einer Imitations-Nummer von Chaplins Figur in den Folies Bergères war.
* Pastiche: ein Pastiche ist ein Kunstwerk, das die Form und oft auch Inhalt eines anderen Kunstwerks nachahmt, aber ohne sich darüber lustig zu machen – also keine Parodie, sondern oft eine Art, eine gewisse Verehrung des künstlerischen Vorbilds auszudrücken. JJ
Anschließend:»Die Drei Muskrepiere« // »Max und die drei Musketiere«(OT: »The Three Must-Get-Theres«)Regie: Max Linder
USA 1922, 45 min.
„Dart-In-Again, ein junger, armer Edelmann aus der Gascogne, reist nach Paris in der Hoffnung, einer der Musketiere des Königs zu werden. Als er zum ersten Mal auf drei Musketiere trifft, Walross, Oktopus und Tümmler, beginnt er mit ihnen zu duellieren, wird aber schnell zu ihrem Freund. Gemeinsam kämpfen sie gegen die Wachen des kleinen Kardinals Richie-Loo, des obersten Ministers von König Ludwig XIII.
Königin Anna ist verzweifelt, weil der Kardinal herausgefunden hat, dass sie die Juwelen, die ihr der König angeboten hatte, ihrem Geliebten, Lord Duke Poussy Bunkumin, gegeben hat. Dart-In-Again überquert den Ärmelkanal auf seinem Segelpferd, um sie zurückzuholen, und bringt sie der Königin gerade noch rechtzeitig zurück, um ihre Ehre zu retten. Im Laufe seiner Abenteuer verliebt er sich in Constance Bonne-aux-Fieux. Der König belohnt Dart-In-Again, indem er ihn zum Musketier ernennt und seine Hochzeit mit Constance feiert.“ von: Wikipedia
Schon die wenig inspirierten Namen der Protagonisten in der Originalfassung lassen Zweifel aufkommen, ob diese Parodie gelungen ist. Dafür spricht der deutsche Verleihtitel Bände: „Die Muskrepiere“ erinnern doch sehr stark an die aus dem Ersten Weltkrieg noch gut bekannten Rohrkrepierer. Trotzdem möchte ich den Film ausdrücklich empfehlen, weil die deutschen Titel einfach lesenswert sind und ein unterhaltsames Filmerlebnis garantieren.
Die passende Musik wäre dann wohl „I am the Walrus“ von den Beatles aus dem Yellow-Submarine-Album. Oder doch nicht? Es musste sein, hier ein Link (auf die Abbildung klicken)
Wir zeigen die 35mm-Kopie der deutschen Verleihfassung aus den 20er Jahren, die sich im Archiv der Stiftung Deutsche Kinemathek erhalten hat. Also auch eine dringende Empfehlung an alle 35mm-Fetischisten.
Am 28. August 1922 schrieb die New York Times: „(…) er ist gutmütig und macht viel Spaß. Wenn es ihm auch an Subtilität und pointierter Satire mangelt, so strotzt er doch vor breit angelegtem und aufrichtigem Spott. Seine Methode besteht darin, alles ins Absurde zu steigern. Er folgt Fairbanks in der Geschichte fast Schritt für Schritt und behandelt jedes Ereignis der Erzählung parallel zu ihm, anstatt ihm zu folgen. Die Version von Fairbanks verläuft eher romantisch. Die Version von Linder verläuft eher lächerlich. (…) Er begnügt sich damit, eine Burleske zu sein. Sie können also beide Filme genießen, ohne dass Ihnen die Freude am anderen davon abhalten wird.“
Beginn 18:00 Uhr